Will man nicht irgendwann einmal sterben?

Nicht wenige ältere Menschen wünschen sich, möglichst bald und schmerzlos zu sterben. In Anbetracht dieser Tatsache gehen jüngere Menschen oft davon aus, dass alle und damit auch sie irgendwann des Lebens überdrüssig werden. Bei genauerem Hinschauen zeigt sich aber noch eine andere mögliche und sogar wahrscheinlichere Ursache neben schlichter „Lebensübersättigung“: Der körperliche und geistige Verfall, der mit dem Altern einhergeht. Viele ältere Menschen haben Schmerzen und können sich nicht mehr selbstständig fortbewegen. Alle wissen, dass es keine langfristige Aussicht auf Besserung gibt. Angesichts dessen ist es vielleicht nachvollziehbar, dass sehr alte Menschen in der Regel keine großen Pläne mehr schmieden und lieber in absehbarer Zeit sterben möchten. Wenn wir das Altern erfolgreich unter medizinische Kontrolle bringen und Menschen damit jung, gesund und fit halten, könnte damit also, zumindest in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle, auch der Todeswunsch wegfallen. (Für die Sorge, eine deutliche Lebensverlängerung könnte zu massiver Langeweile führen, verweisen wir auf die entsprechende Frage weiter unten: „Führt ein so langes Leben nicht zu Langeweile?“.)

Auch alte Menschen wollen allerdings nur allzu oft noch etwas leben, sofern es ihnen halbwegs gut geht. Wie in einem Artikel (siehe hier) ausführlich begründet wird, ist „Willst du ewig leben?“ die falsche Frage. Die richtige Frage ist „Willst du in absehbarer Zeit sterben?“. Man könnte auch konkreter werden: „Willst du morgen sterben? Denkst du, dass du, wenn du 100 bist und dich bester Gesundheit erfreust, am nächsten Tag sterben wollen wirst?“. Es wird keine Wunderpille geben, die nach einmaligem Einnehmen unsterblich macht, sondern Medizin, die man in Anspruch nehmen kann, wenn man noch eine Weile gesund bleiben und leben möchte – und dann noch einmal, falls man das noch eine Weile möchte. Und nochmal. Irgendwann in der ferneren Zukunft zu sterben, fühlt sich für viele Menschen richtig an – nur leben wir nicht in der Zukunft, sondern im Hier und Jetzt. Deshalb sterben wir auch immer im Hier und Jetzt, und der sofortige Tod ist im Gegensatz zum Tod in der Zukunft für fast alle Menschen unwillkommen. Nicht im Fall einer Verlängerung der gesunden Lebensspanne ändert sich etwas an der für uns normalen Situation (dem Leben); im gegenteiligen Fall ändert sich etwas, denn in diesem Fall werden wir krank und hören schließlich auf zu existieren. Lebensverlängerung bedeutet also nur, dass dies nicht passiert, und sowohl unser alltägliches Verhalten (dass wir nicht bei roter Ampel über die Straße gehen) als auch der Einsatz von Technologien, die unser Leben sicherer machen (siehe zum Beispiel Fahrradhelm, Desinfektionsmittel und Filtration zur Wasseraufbereitung), zeigen, dass uns doch etwas daran liegt, diesen gegenteiligen Fall so lange wie möglich zu verhindern.

Da Verjüngungstherapien das Altern nicht stoppen, sondern nur rückgängig machen können und daher regelmäßig angewendet werden müssen, könnte zudem jeder, der nicht mehr weiterleben möchte, beim jeweils nächsten Mal auf die Behandlung verzichten. Die Person müsste allerdings, zumindest nach derzeitigem Stand, vor ihrem Tod noch einige Jahrzehnte altern.

 

  1. Bains W. Can I Have Volunteers to Die Tomorrow? Rejuvenation Res 2007 Dec; 10(4): 648-650. doi: 10.1089/rej.2007.0634.